Asien:

Verloren in Afrika

Oder: Die Suche nach dem afrikanischen Gaumen-Abenteuer in Bangkok


Es ist nicht viel mehr als eine dunkle Erinnerung, mit der wir uns auf den Weg machen: Zweiter oder dritter Stock in einem heruntergekommenen Gebäude, gefliester Raum, ein paar schäbige Tischchen, ein Lavabo neben dem Eingang und ein gutes Dutzend weiss-blitzender Augenpaare, die jede Bewegung meiner Kaumuskulatur registrieren.
So viel wusste ich noch, von meinem letzten Besuch vor zwei Jahren im wohl authentischsten afrikanischen Restaurant Bangkoks. Es war eine Erfahrung, die mir selber zwar ein neues kulinarisches Feld erschloss, dem Magen meines damaligen Begleiters jedoch gar nicht gut bekam. Höchste Zeit, es noch einmal zu versuchen.

Strapazen für die Nasenflügel

Ein fragender Blick meines Kollegen Alex, ein Kopfnicken meinerseits. Da muss es sein: „African Food“ steht klar und deutlich auf dem Zettel, der mit braunem Klebeband an die offenstehende Tür gepappt ist.  Es riecht streng, säuerlich: Eine Mischung aus Urin, Schweiss und anderen schwer definierbaren geruchlichen Sinnesstrapazen lässt meine Nasenflügel zusammenzucken.  So schlimm hatte ich das Treppenhaus nicht in Erinnerung. Es war wohl mal weiss gestrichen, doch das scheint noch viel weiter zurückzuliegen, als mein letzter Besuch in diesem ominösen Restaurant. Je höher wir steigen, desto tiefer rutscht das Herz. Es gibt keine Fenster. Stimmengemurmel aus der Ferne und irgendwie kommt es mir vor, als würde es von Stock zu Stock ein bisschen finsterer; es scheint, dass die dunklen Schatten langsam von oben das Treppenhaus herunterkriechen und sich gierig über uns hungrigen Neuankömmlinge hermachen wollen. Ich beginne langsam zu zweifeln: „Sind wir hier wirklich richtig?“  Als wir im vierten Stock endlich Licht sehen am Ende dieses vertikalen Tunnels fühle ich Erleichterung. Eine offene Tür führt ins Freie auf einen Balkon von dem aus man hinunter sieht ins Gewusel von Bangkoks „Little Arabia“. Durchatmen. Doch wo ist dieses afrikanische Restaurant nur geblieben? Wurde es geschlossen? Gibt es in Thailand vielleicht doch auch so etwas wie Lebensmittelinspektoren, die das abenteuerliche Lokal wegen unhygienischer Zustände versiegeln liessen? Immer noch hören wir das Murmeln von Stimmen über uns. Eine Wendeltreppe im Freien führt noch einen Stock höher. Wir geben uns einen Ruck. Ich weiss nun zwar definitiv, dass wir hier falsch sind, doch die Neugierde hat längst  obsiegt und das laue Magengefühl ist weggefegt.

Kannibalen gibt es noch

Schon bewegen wir uns die enge Metalltreppe hoch, direkt auf die Quelle des Murmelns zu. „Welche Sprache ist das wohl?“ Thai ist es nicht. So weit sind wir uns einig, Alex und ich. Wir sind da. Sechs oder sieben Paar Flip-Flops lassen erahnen, wie viele Leute sich wohl in diesem Raum über den Dächern von „Little Arabia“ befinden. Mit einem zögerlichen „Hello“ kündigen wir unseren sicher unerwarteten Besuch an.  Die Quelle versiegt und aus dem Murmeln wird Stille. „Hello? Ist this the African restaurant?“ höre ich mich fragen und überlege mir schon meinen geheimen Fluchtplan. Wirre Gedanken schiessen mir durch den Kopf: Wie war das wohl gemeint mit dem „African food“? – Essen oder gegessen werden? Es soll ja wohl doch noch die einen oder anderen kannibalisch veranlagten Menschen geben, auf jenem Kontinent. „African restaurant? – No. Here no african restaurant“, plätschert es aus der Quelle und drei dunkelhäutige Köpfe erscheinen im Türrahmen. Wir glauben es gerne und verabschieden uns mit einer sicher lächerlich klingenden Entschuldigung, froh, noch am Leben zu sein und das kulinarische Abenteuer noch vor uns zu haben. Leichtfüssig lassen wir die Wendeltreppe über uns, steigen noch einmal durchs wohl übelste Treppenhaus Bangkoks wieder hinunter zurück nach „Little aArabia“. Und da sehen wir sie: Eine Glastür im untersten Stock, die wir beim Aufstieg verpasst haben. Sie führt in einen kleinen Laden. Drei freundliche Frauen begrüssen uns und sind etwas erstaunt, uns Europäer hier zu sehen. Ein afrikanisches Restaurant seien sie nicht, nein. Sie verkaufen lediglich afrikanische Esswaren, „african food“ eben, wie es ja unten auf dem Zettel an der Tür stehe. Wir bedanken uns, verabschieden uns und setzen unsere Suche fort ...

Pascal Nufer


Serie: THAIZEIT in GEFAHR! In Thailand muss man nach dem Verrückten nicht suchen – man findet es praktisch an jeder Straßenecke. Für manchen Urlauber ist schon ein ganz normaler Markt eine Grenzerfahrung. Bei denen, die schon länger in Thailand sind, ist die Reizschwelle deutlich höher. Deshalb haben wir uns für all jene die den Nervenkitzel  vermissen auf die Suche nach den letzten Abenteuern der Großstadt gemacht. Unsere Redakteure haben das zweifelhafte Vergnügen,diese zuerst für alle THAIZEIT-Leser auszuprobieren. Denn nichts bereitet uns mehr Freude, als unsere Kollegen einmal so richtig leiden zu sehen ...

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