Typisch Thai:

Geschmacksverstärker

Kurioses am Rande des Kulturschocks, kurz und schmerzlos erklärt


Übrigens: GESCHMACKSVERSTÄRKER
Bei thailändischem Essen spielt die Abstimmung aller Haupt-Geschmacksrichtungen eine große Rolle, ähnlich dem ayurvedischen Gesundheitsgedanken in Indien und dem chinesischen Ying Yang Prinzip der ausgleichenden Gegensätze. Eine ausgewogene Mahlzeit umfasst mindestens ein scharfes, ein saures, ein süßes und ein salziges Gericht. Da aber auch in Thailand heute oft nicht mehr in der traditionell großen Runde getafelt wird, hat der praktische Gewürzhalter mit den vier Gläschen Einzug gehalten auf den Tischen der Garküchen, Restaurants und Food Courts: Rotes Chilipulver, klarer Essig, salzige Fischsoße (Naam Pla) und raffinierter Zucker sorgen nun dafür, dass man auch beim Bestellen nur eines Gerichtes nicht auf die Vielseitigkeit der Geschmackswelt verzichten muss. Ohne ein Löffelchen hiervon und eine Prise davon geht es in der Thai-Küche einfach nicht. Der thailändischen Vorliebe für feuriges Essen zahlt sogar der sonst so auf weltweite Gleichschaltung bedachte Fastfood-Riese McDonalds Tribut: Neben dem Ketchup-Spender geht nichts ohne den Behälter für die Chilisoße.
Kein Wunder, dass die chinesische Natriumglutamat-Wut in Thailand außergewöhnlich gut Fuß fassen konnte, ist die größte Sünde am Mittagstisch doch in fades Mahl. Umso befremdlicher muss es da sein, als Neuling in der Thai-Cuisine ein so typisches Gericht wie Pad Thai vorgesetzt zu bekommen: Es schmeckt nach nichts. Doch genau das macht es so typisch: Ein gutes Pad Thai soll sich jeder so würzen können, wie es ihm am besten passt.

Übrigens: TRINKGELD

In Thailand und besonders in Bangkok kann es einem heute nicht selten passieren, dass man in einer Hotel-Lobby, Bistro-Lounge oder einem angesagten Club verweilt, der so oder so ähnlich auch in Mexiko, Male oder auf Bali stehen könnte. Internationale Speisen und Getränke gehören dazu wie andere weltweite Marken, und wenn die Rechnung kommt, weiß der erfahrene Reisende bereits, was von ihm erwartet wird: Ein freundliches Trinkgeld, dass sich auf jedem Fleck der Erde mittlerweile bei zehn Prozent eingependelt hat, etwas mehr oder weniger, je nach Service. Doch halt – nicht auf jedem Fleck der Erde. Oft muss man in Thailand oft nur ein paar Schritte neben den ausgetretenen Touristenpfaden wandern, um mit einem nett gemeinten Trinkgeld auf Unverständnis, Ablehnung und sogar Empörung zu stoßen. Jeder bessere Reiseführer weiß: Im ländlichen Thailand gibt es das Konzept des Extra-Zahlens nicht. Dabei möchte man gerade hier oft vom Herzen etwas Trinkgeld geben – wo sonst wird man schon so freundlich und fürsorglich bedient – und zahlt am Ende eine so gering anmutende Summe? Doch ist es oft das falsche Signal, dem Dienstleister außerhalb des Tourismusbetriebes etwas mehr Geld zustecken zu wollen: Noch vor 100 Jahren wurde der amerikanische Brauch im alten Siam als Angriff verstanden auf ehrliche Arbeit und die Tugend der Hilfsbereitschaft. Doch wie soll man denn auch jemanden einen Gefallen tun können, wenn dieser einem dafür gleich Bares unter die Nase hält? Muss die Hilfsbereitschaft, besonders gegenüber Fremden, nicht als das wirken, was sie an manchen Orten bereits geworden ist: Der Versuch, sich aufzudrängen und Profit aus der Hilflosigkeit des Fremden zu schlagen? Schnell kann sich auch eine Erwartungshaltung einschleichen: Wer kein Trinkgeld zahlt, muss mit schlechterem Service rechnen, mindestens aber langsamerer Bedienung. Noch heute lebt der Gedanke der Selbstlosigkeit in Thailand in einer sehr anmutenden Geste weiter: Wird etwas von Herzen gereicht, oder an Ranghöhere, benutzt der Gebende dazu die rechte Hand und hält die linke dabei am Ellenbogen (siehe Foto). Der verantwortungsvolle Reisende wird im Zweifelsfalle fragen: „Darf ich dafür bezahlen?“, statt wortlos sein Kleingeld zu verteilen. So können beide Seiten ihr Gesicht wahren  – und oft genug wird er ein freundliches, aber ehrliches Kopfschütteln erhalten. Manchmal muss man erst wieder lernen, einen Gefallen ganz ohne Gegenleistung anzunehmen.

Alexander Heitkamp

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