Asien im Visir

Interview mit Werksleiter Rainer Dörrheide

Der Automobilzulieferer Continental aus Hannover investiert rund 4,5 Milliarden Baht in Thailand. Interview mit Werksleiter Rainer Dörrheide.


Herr Dörrheide, willkommen in Thailand. Wann sind Sie angekommen?


Dauerhaft bin ich seit Januar in Thailand. Mit dem Projekt befasse ich mich bereits seit 2007. Wir haben das Werk und die Technologie von Deutschland aus geplant, auch mit Hilfe junger thailändischer Ingenieure. Die ersten thailändischen Mitarbeiter hatten wir im Oktober 2007 eingestellt. Sie sind in Deutschland geschult worden und waren in die Entwicklung des Werkes mit eingebunden.

Wie ist Ihr erster Eindruck von der neuen Heimat?

Natürlich ein großer Unterschied zu Deutschland! Nicht so sehr hier im Industriegebiet Amata City, aber anderswo schon. Ich habe Pattaya als Wohnort gewählt, direkt in der Stadt – allerdings nicht wegen des Amüsierbetriebs, sondern aus praktischen Gründen: Für meine Frau, die in wenigen Tagen nachkommt, ist es einfacher, stadtnah zu wohnen. So muss sie sich nicht gleich in den Linksverkehr stürzen. Ich selbst fahre mittlerweile allerdings gern und sicher in Thailand und habe eher Schwierigkeiten, mich in Deutschland wieder umzustellen. Es gefällt mir gut in Thailand. Ich höre zwar oft von Kollegen in Deutschland, ich ginge in Dauerurlaub, aber in Wirklichkeit muss ich natürlich hart arbeiten. Dennoch, ich arbeite, wo andere Urlaub machen.

Für wie lange werden Sie hier bleiben?

Da ich bereits ein gewisses Alter erreicht habe, ist mein Engagement hier auf meine letzten beiden Berufsjahre beschränkt. So ganz auf Dauer könnte ich es mir auch nicht vorstellen, in Thailand zu leben. Meine Familie ist sehr in unserer Heimatregion vor den Toren Hamburgs verwurzelt, wo es sich auch ganz gut aushalten lässt. Wir schätzen die Winterzeit, sind begeisterte Skiläufer. Auch vermisse ich die Sommerzeit mit ihren langen Abenden. Hier in Thailand ist es immer schon dunkel, wenn man von der Arbeit kommt. Aber wir werden Thailand später mit Sicherheit häufig besuchen.

Kennen Sie Thailand bereits von Urlaubsreisen oder anderen geschäftlichen Missionen?

Zuvor war ich nur einmal in Thailand, das war 2003. Zu meiner Siemens-Zeit hatte ich mit einem Lieferanten in Japan zu tun und reiste gelegentlich dorthin. Damals suchten wir weitere Lieferanten in Asien und hörten vom „Detroit Südostasiens“, der thailändischen Ostküste. Hier haben wir uns dann umgeschaut und 2003 einen Lieferanten gefunden, mit dem wir noch heute zusammenarbeiten. Es gibt hier eine sehr gute Lieferantenbasis dank der langjährigen Erfahrung im Automobilbau.

Waren Sie bislang nur in der Region Rayong oder sind Sie bereits ein wenig rumgekommen?

Ich entdecke gern die Umgebung. Bevor ich zuhause auf der Couch sitze, fahre ich lieber durch die Gegend. Sonntags setze ich mich manchmal einfach hinters Steuer und mache eine 500-700 Kilometer lange Entdeckungstour. Ich bin beeindruckt, was es alles zu sehen gibt, auch landschaftlich. Das sollte schon geeignet sein, mehr Touristen anzulocken. Die Inselwelten! Kurze Wanderungen habe ich auch schon unternommen, es ist aber schwierig hier, weil kaum gutes Kartenmaterial zu bekommen ist. Ich bin die hervorragend ausgezeichneten Wanderwege der Alpen gewohnt! Ich war bereits in Khao Yai und Kanchanaburi. Sobald meine Frau da ist, fahren wir bestimmt auch mal hoch nach Chiang Mai. Leider habe ich wenig Zeit für ausgedehnte Ausflüge, auch am Wochenende wartet regelmäßig viel Arbeit auf mich.

Wieso hat Continental sich für Thailand als Standort entschieden?

Die bereits erwähnte Lieferantenbasis und die Nähe zu unseren Kunden waren ausschlaggebend. Wir hatten bereits einen Kunden in Thailand und sahen uns mit Forderungen nach Local Content konfrontiert. Außerdem haben wir in Thailand komfortable Freihandelszonen. Unser Werk hier ist der Mechanikstandort für hochpräzise Komponenten für den asiatischen Markt, wie auch zum Beispiel Indien.

Wieso für Amata City Rayong?

Die Kundschaft ist nicht weit weg, das Industriegebiet ist nicht übersiedelt, qualifizierte Arbeitskräfte sind relativ leicht zu finden – es war letztlich das Ergebnis eines Abwägens. Wir investieren etwa 91 Millionen Euro und schaffen in den nächsten 3-4 Jahren rund 600 Arbeitsplätze, da müssen die Rahmenbedingungen stimmen.

Wurde es Ihnen leicht gemacht, in Thailand zu investieren?

Wir hatten anfangs einige Schwierigkeiten, es war teilweise recht aufwendig und undurchsichtig. Alle Genehmigungen zu bekommen, erforderte Geduld. Aber das Board of Investment und die Leute von Amata unterstützen uns gut.

Welche Rolle spielt die politische Lage?

Man macht sich schon Gedanken, wie es in Zukunft weitergeht. Wie das Land wieder geeint werden soll. Es gab ein paar Probleme wegen der Schließung der Flughäfen. Es war nicht einfach, einige Lieferanten hier her zu bekommen, zum Beispiel aus Italien und Amerika, wo Thailandreisen als nicht sicher eingestuft waren. Wir mussten die Leute überzeugen, dass hier keine Gefahr besteht. Die weltwirtschaftliche Situation war hingegen für dieses Werk nie eine Gefahr. Asien ist ein strategischer Markt, deshalb halten wir in jedem Fall an dem Standort fest.

Wo würden Sie sich seitens der Regierung mehr Unterstützung wünschen?

Arbeitserlaubnis, Führerschein und so weiter für Ausländer, die bestehenden Regelungen sind lästig. Insbesondere die 90-Tage-Regel nervt. Wenn klar ist, dass man zwei Jahre bleibt, alle Verträge so ausgestellt sind und so weiter, warum kann man dann kein Visum für zwei Jahre bekommen? Und wenn die Familie oder der Lebenspartner kommen – sollen die nach 90 Tagen wieder verschwinden? Das ist ein Hindernis, da sollte man sich flexibler zeigen. Außerdem ist es nicht möglich, Grundbesitz zu erwerben. Das ist schade. Eine hohe Bürokratie muss ich auch beklagen – noch nie habe ich so viele Unterschriften geleistet wie hier! All die Papiere! Und jedes mal wieder unterschreiben ...

Wie beurteilen Sie die Arbeitskräftesituation in Thailand?

Im Augenblick haben wir 120 Angestellte. Wir machen uns Gedanken, wie wir diese gut ausgebildeten Mitarbeiter dauerhaft binden können, denn hier wurde erhebliches Know-How angesammelt. 18 Mitarbeiter sind ein Jahr zur Ausbildung in Deutschland gewesen, die müssen wir halten! Wir bieten eine interessante Arbeit, die unseren Ingenieuren Spaß macht. Ich hoffe, dass eine hohe Fluktuation nicht zum Problem wird. Wir arbeiten mit dem Thai-German Institut (TGI) zusammen, entwickeln Weiterbildungsmaßnahmen. Auch interkulturelles Training ist ein Punkt. Wir wollen zusammenwachsen und so die Leute bei der Stange halten.

Gibt es Wachstumspläne für Ihr Werk?

Das Werk ist auf Wachstum angelegt. Das Gebäude ist sehr stabil gebaut, isoliert und komplett klimatisiert. Wir bieten exzellente Arbeitsbedingungen. Daher schlägt der Bau auch mit 25 Millionen Euro zu Buche. Beim Bau haben wir mit den thailändischen Auftragnehmern übrigens gute Erfahrungen gemacht. Es waren bis zu 1000 Leute auf dem Bau – aber alles bestens organisiert. Wichtige Themen waren für uns Umweltschutz, Arbeitssicherheit und Anlagenüberwachung. Hier übernehmen wir deutsche Standards und sind der thailändischen Gesetzgebung voraus. Die Maschinen müssen schließlich laufen, da sind Maßnahmen speziell im Brandschutz zwingend. Sprinkler, Brandmelder, auch in den Maschinen Löschanlagen. Umweltschutz: Wir betreiben eine strikte Mülltrennung. Manchmal ist das schwierig, weil wir separieren und die Müllabfuhr alles wieder zusammen wirft. Ein Problem, dennoch die Leute zu motivieren, den Müll zu trennen. Es gibt Nachholbedarf beim Umweltschutz in Thailand. Aber auch gute Schritte in die richtige Richtung. Im Herbst beteiligen wir uns an einer Aktion und pflanzen Mangroven an der Küste bei Rayong.

 Was werden Sie hier produzieren?

Das Werk in Amata City wird unser asiatischer Hauptproduktionsstandort für Dieseleinspritzsysteme und das erste Werk weltweit, das gleichzeitig Pumpen und Einspritzer herstellt. Wir arbeiten mit hochpräzisen Technologien mit einer minimalen Toleranz für Abweichungen von 0,001 mm – das ist ein Siebzigstel eines europäischen Menschenhaares. Später planen wir zusätzlich die Produktion von elektronischen Innenraumgeräten.

Mark Sonntag


ZUR PERSON Rainer Dörrheide General Manager, Continental Automotive (Thailand) Co., Ltd. Rainer Dörrheide kommt ursprünglich von Siemens, seit 1974 hatte er verschiedene Führungspositionen im Konzern inne und war er als Manager für die Fertigung in verschiedenen Werken auf der ganzen Welt mitverantwortlich. Unter anderem war Rainer Dörrheide CEO der Siemens VDO Mechatronic GmbH. Heute ist er General Manager des neuen Werkes und Mitglied des Vorstandes von Continental Automotive (Thailand) Co., Ltd. ZUM KONZERN Continental ist einer der weltweit führenden Automobilzulieferer. Gegründet 1871 in Hannover, beschäftigt der Konzern heute fast 140.000 Mitarbeiter in 35 Ländern und setzt 24 Milliarden Euro um. Die Produkte umfassen Reifen, Brems- und Fahrdynamikregelsysteme, Fahrerassistenzsysteme, Sensoren, Systeme und Komponenten für Antrieb und Fahrwerk, Instrumentierung, Infotainment-Lösungen, Fahrzeugelektronik und technischen Elastomerprodukte. In vielen Bereichen ist Continental Weltmarkführer,  zum Beispiel bei hydraulischen Bremssystemen, Fahrerassistenzsystemen, Sensorik, Airbagsteuergeräten, Luftfedersystemen, Telematik, Fahrzeuginstrumentierung und Kraftstoffversorgungssystemen. ZUM WERK Investitionsvolumen: 91 Millionen Euro Grundstück: 50.000 qm Werkshalle: 25.343 qm Grundsteinlegung: Mai 2008 Eröffnung: Juni 2009 Produktionsstart: Oktober 2009 Produkte: Dieseleinspritzsysteme

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