Erdbeben in Japan:
Erdbeben erschüttert Thailands Wirtschaft
Eine Analyse von Alexander Hirschle, Germany Trade & Invest.
In Thailand sind die Erinnerungen an den Tsunami im Jahr 2004 noch sehr frisch. Aus diesem Grund fühlt das ganze Land mit der japanischen Bevölkerung mit, zahlreiche Spendenaktionen wurden in den letzten Tagen initiiert.
Gleichzeitig ist die thailändische Wirtschaft traditionell sehr eng mit Japan verbunden. Die Kfz- und Elektronikindustrie werden in weiten Teilen von japanischen Firmen dominiert, aber auch in anderen Sektoren wie Nahrungsmittel oder Infrastruktur sind Unternehmen aus Japan sehr präsent. Aus diesem Grund werden die Nachwirkungen der Katastrophe in Japan auch in Thailand zu spüren sein.
Wichtiger Lieferant
Allerdings sind sich die Experten noch nicht einig, welche Folgen für die thailändische Wirtschaft zu erwarten sind. Kurzfristig werden Probleme insbesondere im Kfz-Sektor befürchtet, da die Produktion in den japanischen Mutterhäusern teilweise ausgesetzt wurde. Sollte diese Situation länger anhalten, müssten die thailändischen Tochterfirmen reagieren, um die Lieferketten aufrecht erhalten zu können.
Japan ist mit einem Anteil von mehr als 60 Prozent an den Branchenimporten der mit Abstand wichtigste Lieferant von Kfz-Teilen nach Thailand. Normalerweise kann mittels des Lagerbestands ein Ausfall von ein bis zwei Wochen kompensiert werden, so Stimmen aus der Branche. Erst danach könne eine konkrete Schätzung etwaiger Folgewirkungen vorgenommen werden.
Sollte der Nachschub aus Japan dann weiterhin ausbleiben oder nur in Teilen erfolgen, müssten die Importe von Kfz-Teilen im Rahmen einer Global Sourcing Strategie über Drittländer wie Malaysia, Indonesien oder Korea (Rep.) substituiert werden.
Daraus würden sich höhere Kosten für die thailändischen Hersteller ergeben, falls die Produktion im vorgesehenen Zeitrahmen aufrechterhalten werden soll.
Fertigungstiefe könnte größere Schäden verhindern
Die meisten Beobachter sind sich dennoch einig, dass sich noch kein klares Bild über die mittelfristigen Konsequenzen abzeichnet. Gegen sehr tiefgreifende Negativeffekte spricht die relativ hohe Fertigungstiefe in der thailändischen Kfz-Industrie.
So liegt der Anteil des Local Contents bei Teilen für Pkw bei rund 60 Prozent, bei Pick-ups sogar zwischen 70 und 80 Prozent. Bei Honda soll die Rate nach Auskunft von Beobachtern sogar 100 Prozent erreichen. Toyota Motor Thailand (TMT), der größte Hersteller im Königreich, kommt auf 94 Prozent bei Pick-ups und circa 60 Prozent bei Pkws.
Der Fachverband Federation of Thai Industries (FTI) zeigt sich in den lokalen Medien überzeugt, dass die anvisierte Zielmarke von 1,8 Mio. produzierten Kfz im laufenden Jahr trotz der Ereignisse in Japan erreicht werden kann. Zumal sich der Sektor seit 2010 in einem enormen Aufwärtstrend befindet.
Im vergangenen Jahr stieg der Output der thailändischen Kfz-Schmieden um 65 Prozent auf 1,645 Mio. Einheiten, in den ersten zwei Monaten 2011 immerhin noch um 28 Prozent im Vergleich zu derselben Vorjahresperiode.
Einbruch der Exporte in Milliardenhöhe erwartet
Auch die Exporte Thailands könnten negativ von den Ereignissen in Japan betroffen sein. Berechnungen der University of the Thai Chamber of Commerce gehen davon aus, dass die thailändischen Ausfuhren bis zu 1,5 Mrd. US-Dollar niedriger ausfallen könnten als ursprünglich angenommen.
Japan ist mit einem Anteil von 10,4 Prozent an den Gesamtausfuhren der zweitwichtigste Abnehmer thailändischer Waren nach der VR China. Negative Effekte werden vor allem bei Exporten von verarbeitetem Fleisch, Zucker, Elektronik, Gummiwaren, Kosmetika sowie eben bei Kfz erwartet. Allerdings wird auch mit einer verstärkten Nachfrage aus Japan gerechnet.
Der größte Exporteur von gefrorenem und abgepackten Meeresfrüchten und Fisch, Thai Union Frozen Seafood (TUF), geht davon aus, dass seine Umsätze im 1. Quartal 2011 um 30 Prozent in die Höhe schnellen werden. Firmenvertreter äußerten sich in der Tageszeitung Bangkok Post dahingehend, dass die Bestellungen aus Japan zunehmen werden, um die lokale Nachfrage trotz der temporären Schließung japanischer Lebensmittelfabriken befriedigen zu können.
Chance für Investitionen
Ebenso werden Investitionsmöglichkeiten für Thailand und ganz Südostasien erwartet. Japan ist mit einem Anteil von rund 35 Prozent am ausländischen Kapitalstock der mit Abstand wichtigste internationale Akteur im Königreich. Zwar könnten die Engagements kurzfristig leiden, da die Tochterfirmen eventuell ihre Gewinne zur Stützung der Mutterhäuser nach Japan transferieren müssen. Doch mittelfristig dürften die japanischen Firmen zunehmend eine Strategie der Risikodiversifizierung vornehmen.
Vor allem im Bereich Nahrungsmittel, der einen Großteil der japanischen Importe einnimmt, wird erwartet, dass Japan seine Aktivitäten in andere Länder ausdehnen wird, um die Versorgung mit Nahrungsmitteln auch in Zukunft gewährleisten zu können. Thailand bietet sich als siebtgrößter Lebensmittelexporteur weltweit mit sehr günstigen natürlichen Voraussetzungen als erste Alternative in diesem Bereich an.
Zu guter Letzt befeuern die Ereignisse in Japan auch die Diskussionen um die Kernenergie in Thailand. Die Bedenken in der Bevölkerung sind so groß, dass die lokalen Zeitungen Gerüchte dementieren mussten, die Mitte März eingetretene Kältewelle in Bangkok sei auf die Ereignisse im japanischen Atomkraftwerk Fukushima zurückzuführen.
Die offiziellen Planungen sahen bis 2020 die Implementierung eines ersten Kernkraftwerks in Thailand vor, bis 2030 sollen 11 Prozent des thailändischen Stromverbrauchs aus Nuklearenergie gespeist werden. Zu diesem Zweck ist der Bau von fünf Kraftwerken anvisiert. Ob an diesen Plänen festgehalten wird, bleibt abzuwarten.
Internationale Experten hatten schon im Vorfeld bezweifelt, ob Thailand für eine Einführung dieser Technologie die entsprechenden Voraussetzungen aufweise. Erste lokale Stimmen fordern bereits ein Überdenken der Strategie und vor allem der notwendigen Sicherheitsmaßnahmen. Gleichzeitig soll die bisher zu mehr als 70 Prozent von Erdgas abhängige Strommatrix weiter diversifiziert werden, wovon in erster Linie die Stromerzeugung über erneuerbare Energien profitieren könnte.
Zum Thema: Interview mit dem deutschen Botschafter: Keine unmittelbare Gefahr durch Radioaktivität
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