Es grünt so grün auf Bangkoks Straßen:

Das neue Fahrradparadies für Lebensmüde.

Bangkok:


Fahrradfahren gehört ja eigentlich nicht zu den Risikosportarten. Spätestens seit sich Bangkok nun auch in die Liste der fahrradfreundlichen Städte der Welt einreihen will, werden sich das die Versicherungen noch mal überlegen müssen. Denn Bangkoks neuste Touristenattraktion „Green Bangkok Bike“ stellt locker Bungee-Jumping, Zorbing oder Canyoning in den Schatten und ist sicher gefährlicher, als manch gewagter Sprung am Seil. Auch adrenalinmäßig kann das jüngste Kind von Bangkoks Stadtvater Apirak  mit den letzten Abenteuern der Neuzeit mithalten.
Helme gibt es nicht, so viel ahnte ich zum Glück schon und habe wohlweislich meinen eigenen Kopfschutz mitgebracht. Dass mein Fahrrad weder Glocke noch Halterung für die Wasserflasche hat, erstaunte mich auch nicht wirklich, dass die Bremse nicht funktioniert merkte ich schnell und dass man als Fahrradfahrer auf Bangkoks Strassen wohl etwa so viel verloren hat, wie ein Elefant auf Zürichs Strassen, wurde mir bei jeder Pedalumdrehung klarer. Doch eins ums andere.

Munter Russpartikel sammeln

Der Helm sitzt, die Atemmaske ebenfalls und die Route ist sowieso klar: Einmal um Rattanakosin geht’s heute, also um den Stadtteil in dem sich Königspalast, Wat Po, Sanam Luang und andere Tourismusattraktionen befinden. Wir machen eine Tour durch Bangkoks Altstadt, diesmal nicht im Gratis-Tuktuk sondern auf dem Gratis-Fahrrad. Gut gelaunt treten wir in die Pedale, immer schön links scharf dem Randstein entlang. Die ersten Meter gehen richtig flott und schon hupt der erste Taxifahrer, als er meinen Kollegen Alex überholt. „Was hat er bloß falsch gemacht?“ frage ich mich und merke, wie mein Schwerpunkt leicht nach hinten gleitet. Es ist der Sattel. Klick und er ist wieder eingerastet, allerdings mit einer leichten Neigung nach hinten. „Was soll’s...“ sag ich mir und konzentriere mich auf das Motorrad, das eben direkt vor meiner Nase einschwenkt. Die Mittagshitze brennt auf meine nackten Unterarme während mein Mundschutz munter Russpartikel sammelt. „Mal was anderes, so durch Bangkok zu fahren“, denke ich und freue mich, wie wir locker die stehenden Taxen, Busse, LkW und PkW rechts liegen lassen.

Exoten auf Bangkoks Strassen

Es wird grün. Nicht die Ampel, sondern der Boden. Wohl genau so grün wie Bangkok dereinst gern werden will leuchtet der frisch gestrichene Asphalt unter meinem Vorderrad. Wir haben ihn also erreicht, Bangkoks ersten richtigen Radstreifen, der es sogar bis in den Wahlkampf ums Bürgermeisteramt geschafft hat. Ich fühle mich gleich sicherer und kann endlich etwas durchatmen. Ratsch! Mein Sattel meldet sich ein zweites Mal und ich muss abrupt stoppen. Zum Glück funktioniert wenigstens die Vorderbremse und ich komme ohne Kollision mit dem Randstein zum Stehen. Und wieder hupt ein Taxi. Diesmal gilt der Lärm mir. Doch ich stehe längst mit meinem Rad auf dem Trottoir und behindere den Mann im gelbgrünen Taxi nicht im Geringsten. Er fuchtelt wild mit den Händen und ruft mir durch die geschlossenen Scheiben unhörbar zu. Erst als ich sein breites Lachen und den Daumen nach oben sehe, wird mir klar, dass er sich freut, so etwas Exotisches wie einen Radfahrer auf Bangkoks Strassen anzutreffen. Er schüttelt ungläubig den Kopf und fährt weiter. Nach ein paar Handgriffen sitze ich wieder waagrecht im Sattel und flitze weiter übers frische Grün. Doch wo ist Alex? Er hat mich abgehängt, während ich mich mit Taxifahrer und Sattel abmühte.

Die Hoffnung stirbt nie

Nach ein paar hundert Metern fast freier Fahrt endet für mich das grüne Vergnügen abrupt. Mein geliebter Radstreifen endet unter einem Tuktuk, dessen  Fahrer sich wohl über die neuen Parkmöglichkeiten besonders freuen musste. Und er ist längst nicht der einzige, zwei Minibusse haben es ihm gleich getan und selbst Bangkoks zweite neue Attraktion, das neue Touristentram fühlt sich offenbar wohler auf grünem Grund als auf normalem Asphalt. Ich schwenke also auf die Strasse und schlängle mich wie ein Motorradtaxifahrer zwischen den stehenden Fahrzeugen durch. Nun sehe ich Alex: Mit einem Sprung nach links rettet er sich gerade aufs Trottoir um knapp einer offensichtlichen Attacke eines Autofahrers zu entrinnen. Es war nicht die erste, wie er mir später erzählt. Denn offenbar musste es den älteren Herrn wütend gemacht haben, dass ein Ausländer auf einem grünen Fahrrad schneller durch Bangkoks Stossverkehr kommt, als ein gesetzter älterer Herr im dicken Wagen. Und wie schon der grüne Radstreifen verschwindet auch unsere Lust an unserer Tour um Bangkoks Altstadt immer mehr im Chaos von Bangkoks Mittagsverkehr. Wir kürzen ab und verstoßen damit eigentlich auch klar gegen die Regeln von „Green Bangkok Bike“, nach denen man nämlich die Route nie verlassen dürfte. Als wir nach gut einer Stunde unsere Räder wieder zurückgeben bin ich nicht nur froh, wieder heil zurück zu sein, sondern es werden mir auch  zwei Dinge klar: Wer diese Tour überlebt, hat es entweder verdient Gouverneur von Bangkok zu werden oder weiß nun zumindest,  warum grün die Farbe der Hoffnung ist.

Pascal Nufer


Serie: THAIZEIT in GEFAHR! In Thailand muss man nach dem Verrückten nicht suchen – man fi ndet es praktisch an jeder Straßenecke.  Für manchen Urlauber ist schon ein ganz normaler Markt eine Grenzerfahrung. Bei denen, die schon länger in Thailand sind, ist die Reizschwelle deutlich höher. Deshalb haben wir uns für all jene die den Nervenkitzel  vermissen auf die Suche nach den letzten Abenteuern der Großstadt gemacht. Unsere Redakteure haben das zweifelhafte Vergnügen,diese zuerst für alle THAIZEIT-Leser auszuprobieren. Denn nichts bereitet uns mehr Freude, als unsere Kollegen einmal so richtig leiden zu sehen ...

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