Thailand:

Von Krise zu Krise

Das Königreich strauchelt auch mit neuem Premierminister weiter.


Thailand kommt nicht zur Ruhe und schlittert weiter von einer Krise in die nächste. Parlamentsauflösungen, Neuwahlen, Putsche und immer wieder neue Premierminister gehören fast zur Tagesordnung. Was überdauert ist eine große Spaltung im Land – eine Spaltung, die wohl auch die aktuelle Krise nicht zu kitten vermag. Es ist eine Spaltung zwischen arm und reich, zwischen Land und Stadt, aber auch eine zwischen Monarchie und Oligarchie, in der einzig das Geld regiert. Auf der Strecke bleibt die Demokratie.
„Thailand steckt seit Jahren in einer Krise aus der kein Ausweg erkennbar ist, solange die tiefer liegenden Ursachen nicht politisch angegangen werden“, schreibt die deutsche Konrad Adenauer Stiftung (KAS) in einem aktuellen Bericht zur Situation in Thailand. Was jedoch diese tiefer liegenden Ursachen wirklich sind, nennt die KAS nur teilweise beim Namen. Zum einen wohl, weil es  verschiedene Ursachen gibt, zum andern wohl aber auch, weil man nicht alle beim Namen nennen darf.

Volkskraft oder Volksallianz

Es sei nun Zeit, sich für eine Seite zu entscheiden verkündete Samak Sundaravej in seiner letzten Radioansprache, als er noch Thailands Premierminister war. Diesen Ratschlag nahm sich das Verfassungsgericht offenbar zu Herzen und zeigte wenige Tage später sehr deutlich auf welcher Seite die Justiz steht: Mit einem einstimmigen Urteil zwang das Gericht den Premier Samak wegen seinen unzulässigen Auftritten als Fernsehkoch zum Rücktritt. Die beiden Seiten von denen der ehemalige Premierminister am Radio sprach heißen PPP oder  PAD also People’s Power Party oder People’s Alliance for Democracy. Beide Seiten führen das Wort People, also  das Volk in ihrem Namen und beide behaupten vordergründig, sich für mehr Demokratie einzusetzen. Doch was stimmt nun? Und wer ist nun wirklich fürs Volk und für mehr Demokratie? Genau diese Frage stellen sich derzeit viele Thailänderinnen und Thailänder, ohne jedoch eine schlüssige Antwort darauf zu finden. Zwar handelt es sich bei der PPP um die offiziell gewählte Regierungspartei, doch ist ihr direkter Draht zum ehemaligen geputschten Regierungschef Thaksin vielen ein Dorn im Auge. Die Alternative, die PAD, ist aber längst auch nicht mehr allen geheuer. Spätestens als die gelb gekleideten Demonstranten auf sehr undemokratische Weise den staatlichen Fernsehsender NBT besetzten, wurde vielen klar, dass auch die PAD eine härtere Gangart eingeschlagen hat und nicht länger nur den friedlichen zivilen Ungehorsam verfolgt.

PAD auch innerlich gespalten

„Die Gewalt hat der Protestbewegung PAD große Kritik und Sympathieverluste beschert“, stellt Vesna Rodic in einem Situationsbericht der deutschen Friedrich Ebert Stiftung (FES) fest. Die Folgen seien einmal mehr eine Schwächung der Leute, die sich wirklich für mehr Demokratie einsetzen wollten, schreibt Rodic weiter und zieht den Vergleich mit dem Militärputsch von 2006: „Bereits damals spaltete sich die Demokratiebewegung in Putschgegner und Putschbefürworter.“ Wie schon damals, ist auch heute die Frage, wie weit der Zweck die Mittel heiligt und eben auch undemokratische Mittel angewendet werden dürfen, um letztendlich die „Rettung der Demokratie“ herbeizuführen. Damit wird vor allem auch die Tatsache deutlich, dass die PAD-Leute auf der Strasse eben keine homogene Gruppe sind, sondern ein Konglomerat von Menschen mit zum Teil grundverschiedenen Ansichten. Das einzige was sie alle vereint, ist der Hass auf  Thaksin. „In der PAD haben reaktionäre und linksprogressive Kräfte ein Bündnis auf Zeit geschmiedet, um den gemeinsamen Gegner Thaksin zu besiegen. Die wichtigsten Führer der Bewegung kommen aus unterschiedlichen politischen Milieus und verfolgen unterschiedliche politische Interessen“, umreißt die Friedrich Ebert-Stiftung die Situation der Regierungsgegner. Die Gefahr der PAD besteht also darin, dass sie in sich nicht geeint ist und dass abgesehen von der Thaksin-Frage wenig Konsens besteht. Canan Atilgan von der Konrad Adenauer Stiftung sieht bei der PAD aber im Moment vor allem eine gefährliche Tendenz. Ursprünglich als demokratische Bewegung gegen eine autoritäre Herrschaft entstanden, entwickle sich die PAD immer mehr zu einem Hüter der Traditionen und der Monarchie: „Dabei läuft sie Gefahr, sich in eine anti-demokratische, rückwärtsgewandte, ultranationalistische Bewegung zu verwandeln“, schreibt Atilgan. Was Mitglieder der PAD als „Neue Politik“ bezeichnen verdeutlicht seine Aussage sehr klar: 70 Prozent des Repräsentantenhauses sollen demnach künftig ernannt werden, nur noch 30 Prozent gewählt; ein Auswahl-Verfahren also, das mit gängigen Vorstellungen von Demokratie wirklich wenig zu tun hat. Und trotzdem: Was im Moment nach einem großen Scherbenhaufen aussieht, wertet Vesna Rodic aber durchaus auch positiv. Über einen Zeitraum von 20 Jahren gesehen, seien doch Fortschritte erkennbar: „Demokratie entsteht nirgendwo von heute auf Morgen, Demokratie muss wachsen und das braucht Zeit, auch hier in Thailand“, sagt sie und verweist darauf, dass der Weg zur Demokratie in Europa auch über 100 Jahre gedauert habe.

Stiller Protest

Die Frage, die allerdings offen bleibt, ist welche Rolle denn in einer künftigen Demokratie in Thailand das Königshaus einnehmen soll. Doch an diese Frage trauen sich auch die beiden deutschen Stiftungen, die in Thailand Demokratieförderung betreiben, nicht richtig heran. Denn es wäre möglicherweise kontraproduktiv, sich all zu kritisch mit diesem Themenfeld auseinander zu setzen. Vesna Rodic schreibt aber immerhin sehr deutlich, dass wohl Thaksins konfrontativer Kurs mit dem Königshaus einer der wichtigsten Gründe für den Feldzug der PAD gegen die Thaksin-Anhänger gewesen sei: „Der Politiker war bisher die einzige Person in Thailand, die den Versuch wagte, das Herrschaftsmonopol des Königs zu untergraben.“  Und da König Bhumipol ja die höchste moralische, soziale, kulturelle und letztendlich auch politische Instanz ist, muss aus Sicht der PAD jeder irren, der ihn anzweifelt. Wenn also ein Volk einen politischer Führer wählt, der den König in Frage stelle, könne dieser  ja letzten Endes nur durch Unwissenheit gewählt worden sein: „Sie wissen nicht, was sie tun“, sagten diverse Vertreter des Bangkoker Establishments über die Thaksin-Wähler und nahmen dies auch als Legitimation, diese „Unwissenheit“ durch einen Putsch oder durch eine Besetzung einer Radiostation zu korrigieren. „Doch was, wenn einige es doch wissen?“, fragt Vesna Rodic in ihrem Text und kommt zu einem Schluss, über den in Thailand niemand reden will: „Dann wären diese Stimmen auch Ausdruck des stillen Protests gegen die herrschende Gesellschaftsordnung.“

Pascal Nufer


Die Stiftungen Friedrich Ebert Stiftung Die Friedrich Ebert Stiftung steht der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands nahe und ist im außerhalb der Bundesrepublik mit über 100 Büros vertreten.  Im Mittelpunkt ihrer Arbeit in Süd-, Südost- und Ostasien steht die Förderung der demokratischen Entwicklung und der sozialen Dimension des Wirtschaftswachstums. Unter www.fes.de/asien finden Sie den Situationsbericht in voller Länge, sowie weitere Angaben zur Stiftung. Die FES in Thailand www.fes-thailand.org Konrad Adenauer Stiftung Die CDU-nahe Konrad Adenauer beschreibt sich selbst als eine politische Stiftung der Bundesrepublik Deutschland, die mit ihren Programmen und Projekten einen aktiven und wirksamen Beitrag zur internationalen Zusammenarbeit und Verständigung leisten will. Mit ihrer Arbeit in Thailand will die Konrad Adenauer Stiftung einen langfristigen Beitrag zum Ausbau und zur Festigung der Demokratie leisten, vor allem im Hinblick auf die aktive Befähigung der Bürger zur Beteilung am Prozess der politischen Willensbildung. Unter www.kas.de/thailand gibt’s ausführliche Angaben zur Stiftung und ihrer Arbeit in Thailand, sowie den Thailandbericht in voller Länge.

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