Typisch Thai:

Lieder für das Leben

Die Musik zur Rebellion der Siebziger: Thailändischer Folk-Blues hat nicht an Bedeutung verloren. THAIZEIT präsentiert Auszüge aus dem Buch Typisch Thai.


Zwischen der Schnurrbart-Mode der Zeit des fünften Königs der Chakri-Dynastie und dem Ziegenbärtchen der Hip-Hop-Ära war die einzige Gesichtsbehaarung, die in Thailand gepflegt wurde, bei den Anhängern der „Lieder für das Leben“ zu finden. Als musikalischer Abkömmling der linkslastigen Bewegung Art for Life (Kunst für das Leben) ist pleng püa tschiwid (Lieder für das Leben) heute die Musik des unzufriedenen Mannes mittleren Alters mit einem Hang zu alternativer Kleidung.
Das Erscheinungsbild ist in einer Kultur sozialer und intellektueller Konformität, in der anders auszusehen gleichbedeutend mit anders denken ist, von entscheidender Aussagekraft. Nicht immer wird das für wünschenswert gehalten. Der durch Höflichkeit und Konfliktscheu getriebene Impuls, sich riab rooi (ordentlich) zu verhalten, wurde während der jahrzehntelangen autokratischen Militärherrschaft zum zwanghaften Reflex. Die von dem Marxisten Jit Bhumisak 1957 ins Leben gerufene Bewegung Art for Life entwickelte sich innerhalb von zehn Jahren als Protest gegen den Machtmissbrauch der Diktatur, und das ganz im Stil der sechziger Jahre: Happenings, Lyrik, Malerei, Literatur, Musik.  Die Aktivisten prägten die unverwechselbaren Liedtexte und Musik, junge Thais übernahmen daraufhin den modischen Aspekt der politischen Bewegung zusammen mit der Musikrichtung. Weil Thailand inzwischen über eine der liberalsten Verfassungen der Welt verfügt, konzentriert sich das Geschehen nun vorallem auf die Themen Umwelt, Armut und Bürgerbeteiligung.

carabao – kritisch und beliebt

Beim Wechsel zur Massenpopularität in den achtziger Jahren war die Schlüsselfigur der Bewegung Lieder für das Leben Add Carabao, den dank seines großen Talents, seiner Wortgewandtheit und seines Muts jeder kennt. Am berühmtesten ist Carabaos Hymne „Made in Thailand“ aus den achtziger Jahren, in der er gegen den Import von Konsumgütern wettert. Dieser scharfe Nationalismus verträgt sich schlecht mit einigen Zielen von Art for Life. Doch so zweifelhaft sein aufwühlender Soundtrack für den Film Bang Rajan – Kampf der Verlorenen auch sein mag: Carabao durchsetzt die thailändische Musik mit einem Witz, einer Kantigkeit und Bedeutung, an die nur wenige heranreichen. Obwohl die apolitische Jugend von heute nicht mehr den Rockmelodien der Revolution lauscht, greift das derzeitig beliebteste Genre, Hip-Hop, seinerseits Missstände auf. Angesichts der verstärkten staatlichen Bemühungen gegen das Nachtleben, für die Begrenzung von Computerspielgemeinschaften und ab 22 Uhr eine Ausgangssperre für junge Menschen unter 18 Jahren, bleibt es abzuwarten, ob die Musik die Obrigkeit wegen ihres erneuten Disziplinzwangs wieder herausfordert. Vielleicht wird die nächste Reformwelle von der indy-Generation angespornt, die den Liedern für das Leben dann Lieder für den Lebensstil folgen lässt.

Philip Cornwel-Smith, Übersetzung: Dörte Döhl,


Typisch Thai: Alltagskultur in Thailand ist im Buchhandel erhältlich. Sie können die englische Version bei River Books bestellen. Die deutsche Version ist über THAIZEIT zum Sonderpreis von 750 Baht, anstatt 995 Baht erhältlich. info@magazin.in.th www.riverbooksbk.com Very Thai von Philip Cornwel-Smith – River Books - 995 Baht– Hardcover mit Fotos von John Goss und Philip Cornwel-Smith

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