Wirtschaftsnews:

Ein Kosmopolit lenkt Siemens

Anthony Y. W. Chay ist Präsident und CEO von Siemens in Thailand. Seit 18 Jahren arbeitet der studierte Maschinenbauingenieur für Siemens, unter anderem in München, Singapur und Taipeh. Er verantwortet einen Umsatz von 290 Millionen Euro (14 Milliarden Baht) und fast 1.800 Mitarbeiter. Chay spricht Deutsch, Englisch und vier verschiedene chinesische Dialekte.


Anthony, wie kam es, dass du als Singapurer in Essen studiert hast?


Damals hatten Deutschland und andere Länder wie beispielsweise Frankreich, England, Indien, Australien und Japan Stipendien für Studenten aus Singapur vergeben. Ich hatte mich um so ein Stipendium für ein Auslandsstudium beworben und wollte Maschinenbau und Verfahrenstechnik in England oder Australien studieren. In einem Auswahlverfahren wurden meine Qualifikationen geprüft und ich erhielt tatsächlich eine Zusage – allerdings für Deutschland, was ich erstmal ablehnte, weil ich kein Deutsch sprach aber sehr gut in Englisch war. Ich habe mich dann aber von den Studienberatern überzeugen lassen, dass Deutschland eine gute Wahl wäre.


Wie bist du bei Siemens gelandet?


Mein Studium habe ich 1982 abgeschlossen und ging zurück nach Singapur, wozu ich aufgrund der Stipendiums-Bestimmungen verpflichtet war. Dann habe ich meinen Militärdienst als Hauptmann beendet (ich bin jetzt mit 50 aus dem Reservedienst entlassen worden). Danach war ich beim Umweltministerium in Singapur für die Schwerindustrie zuständig. Zwischendurch war ich bei einem Mittelständler in Deutschland, wo ich 1992 von Siemens abgeworben wurde. Dort habe ich den Einkauf in Asien-Pazifik geleitet, mit einem Volumen von 1 Milliarde D-Mark.

Wie lange hast du insgesamt in Deutschland gelebt?


Etwa zehn bis zwölf Jahre, abgesehen von Essen habe ich auch in Oberbayern und bei München gelebt. Noch während meines Studiums hatte ich auch meine deutsche Frau kennengelernt, sie studierte damals Sozialpädagogik. Inzwischen haben wir zwei Kinder, einen 23-jährigen Sohn, der jetzt nach Lausanne geht, um Hotelwesen zu studieren, und eine 19-jährige Tochter, die gerade ihr Abitur in Singapur gemacht hat und jetzt, nachdem die Eltern in Bangkok sind, für ein paar Monate in einem Luxushotel jobben und sich darüber hinaus etwas austoben wird. Später würde sie gern in Deutschland Psychologie studieren. Unser Sohn fühlt sich etwas mehr als Deutscher, unsere Tochter etwas mehr als Asiatin.

Wie war deine Erfahrung mit Deutschland – was hast du lieben gelernt, was weniger?


Viele so genannte deutschen Eigenschaften wie Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und Genauigkeit, genießen auch in Singapur einen hohen Stellenwert. Diese Werte schätze ich sehr. Und darüber hinaus die Offenheit der Deutschen. Schwieriger wird es bei der Küche. Ab und zu speise ich gern mal deutsch, aber eigentlich bin ich überzeugter Anhänger der asiatischen Kochkunst.

Hast du so etwas wie ein persönliches Erfolgskonzept?


Die Werte, die ich genannt habe, lebe ich selbst. Das ist so etwas wie ein Erfolgskonzept. Außerdem muss man seine Stärken und Schwächen kennen, um sich die richtigen Ziele stecken zu können. Und letztlich zählt auch Ausdauer zu den wichtigen Kriterien – ich bleibe immer dran, wenn ich an etwas glaube! Und natürlich die Teamarbeit. Nur im Team kann man richtig erfolgreich sein, man muss seine Kollegen wertschätzen, respektieren und motivieren, auch das ist wichtig für den gemeinsamen Erfolg.

Wie steht Siemens heute in Thailand da? Gibt es neue Produkte, mit denen Siemens in Thailand punkten will?

Seit 1900 ist Thailand in Siemens tätig, seit 1995 als Company Limited etabliert. Wir sind stolz und froh, eine wichtige Rolle in Thailand gespielt zu haben, zum Beispiel bei den großen Infrastrukturprojekten, aber auch dadurch, dass wir immer versuchen, einen Beitrag für die Gesellschaft zu leisten. Unsere wichtigste Richtung ist Innovation. Gerade in Zusammenhang mit den neuesten  Konjunkturpaketen der thailändischen Regierung sehe ich gute Chancen für Siemens. Wir haben all die Schwerpunkte der Pakete in unserem Portfolio: Energie, Kraftwerke, Stromverteilung, aber auch Transport und Schienenverkehr sowie Healthcare. Eine ganz besondere Stärke liegt im Bereich Umweltschutz, einem riesigen Zukunftsmarkt. In Thailand haben wir gemeinsam mit der GTZ (Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit, d. Red.) und der King Mongkut’s University of Technology Ladkrabang (KMUTL) das Projekt Bangkok-21 initiiert. Hier geht es um Sauberkeit, raus aus dem Auto, rein in die Züge – ein Riesenbeitrag zum Umweltschutz. Außerdem hat Siemens Technologien entwickelt, die Verschmutzungen von vornherein bei der Produktion so klein wie möglich zu halten. Siemens will bis zum Jahr 2011 einen Umsatz von 25 Milliarden Euro aus unseren Umweltschutztechnologie erwirtschaften, bereits im letzten Jahr hatten wir 19 Milliarden Euro erreicht, wir reden also von 25 Prozent des Siemens-Umsatzes, der aus umweltfreundlichen Tätigkeiten entstammt. Eine tolle Botschaft! Unsere Produkte haben in den letzten Jahren 114 metrische Tonnen CO2-Ausstoß eingespart. Auch hier in Thailand sind wir gern Ansprechpartner für Unternehmen, die ihre Klima- und Umweltbilanz verbessern wollen. Wir bauen gerade unser Büro in Rayong aus, um die Unternehmen aus der Region „Eastern Seaboard” im puncto Life-Cycle Business, aber auch im Umweltschutz besser betreuen zu können. Unsere Zukunft liegt im Umweltschutz.

Thailand fordert immer stärker nicht nur Produkte, sondern Technologie- und Know-how-Transfer. Wie steht Siemens dazu?

Das ist ein sehr guter Punkt. Wir haben verstanden, dass der Staat nicht nur Equipment kaufen möchte, sondern ein langfristiges Commitment Thailand gegenüber wünscht. Wir reagieren: Gemeinsam mit der RWTH Aachen und der King Mongkut’s University of Technology North Bangkok (KMUTNB)  werden wir einen Master-Studiengang für den Bereich Schienenverkehr anbieten. Die Ingenieure werden in der Thai-German Graduate School (TGGS) unterrichtet, und können bei Siemens praktische Erfahrung sammeln – eine runde Sache! Das ist konkreter Know-how-Transfer. Außerdem sollte man nicht vergessen, dass wir seit 1995 bereits mehr als 600 Thailänder im Bereich Schienenverkehr ausgebildet haben. In Zukunft will Siemens noch stärker auf den Standort Thailand setzen und eine Fabrik für den Zusammenbau von Eisenbahnwaggons bauen. Die Pläne der Regierung für den Ausbau des öffentlichen Personen-Schienen-Nahverkehrs in Bangkok sind gigantisch und bieten noch viel Raum für unsere Entwicklung hier in Thailand, was wieder zu erheblichem Wissenstransfer führen wird, damit die Thailänder die Wagen eines tages selbst produzieren können. Das wissen wir noch nicht, der Streik hat die Zeitpläne etwas verzögert.

Kannst du eine konjunkturelle Einschätzung fürs nächste Jahr abgeben? Wird Siemens von den Konjunkturpaketen der thailändischen Regierung profitieren?

Zeitpunktmäßig ist es schwer zu sagen. Wir sind jedoch in Thailand gut aufgestellt, haben die Portfolios, brauchen aber natürlich politische Stabilität. Hier im Lande gibt es viel Potential. Und Siemens profitiert von internen Umstrukturierungs- und Einsparmaßnahmen, die bereits seit ca. zwei Jahren laufen und uns nun in der Krise Wettbewerbsvorteile bringen im Gegensatz zu Unternehmen, die es kalt erwischt hat. Die drei Sektoren Gesundheit, Industrie und Energie, auf die wir uns konzentrieren, passen zudem auf die meisten Konjunkturpakete, die derzeit weltweit aufgelegt werden – so auch hier in Thailand.

Wie gefällt es dir persönlich, in Thailand zu arbeiten?

Es macht Spaß in Thailand und mit den Thailändern zu arbeiten. Ich kenne inzwischen sehr viele unserer Mitarbeiter, das ist mir sehr wichtig, ich bin immer greifbar und kümmere mich um alle Abteilungen. Mein Führungsstil ist sehr nah am Mitarbeiter, Motivation ist der Schlüssel zum Erfolg. Das hat weniger mit dem Land zu tun, in dem man arbeitet, als mehr mit dem eigenen Führungsstil.

Wie lebt es sich in Thailand, speziell in Bangkok?

Ich fühle mich wohl hier, habe aber leider noch nicht so viel gesehen, meine Frau und ich sind noch nicht aus Bangkok rausgekommen. Letztes Wochenende sind wir zum ersten Mal in der Stadt geblieben und nicht nach Singapur gereist. Wir waren mit der BTS unterwegs, Chatuchak-Markt, Jim Thompson ...

Hat man als Siemens-Chef eine Freikarte für BTS und MRT?

Nein, leider nicht.

Vielen Dank für das Gespräch.

Mark Sonntag

Wie gefällt dir dieser Beitrag?

Keine Bewertung

Deine Meinung ist uns wichtig! Bewertung abgeben


Weitere interessante Artikel